Wie spannend muss das Leben sein, um lebendig sein zu wollen? So wichtig ist es einem, nicht langweilig zu sein, so präsent das Verlangen nach Ablenkung, dass kaum etwas voranschreitet, ohne sich gefragt zu haben: „War es das wert?“ Wieso muss immer alles etwas wert sein, etwas beigemessen haben, um wert zu sein? Dies steht im Widerspruch zum Genuss, der durch Verzicht entsteht und der Trauer die durch Liebe geboren und der Stärke, die aus Schwächen wird. Es scheint, als hätte das Individuum, was jegliche Demut abgelegt und vom Fordern kaum zum Luftholen kommt, vergessen, dass es nicht an ihm liegt zu bewerten was ihm widerfährt und danach zu entscheiden, ob ihm die entkorkte Flasche Leben nun süß genug riecht. Es bleibt ihm nicht die Wahl, das Universum schenkt so oder ein, ob einem der Geschmack dessen nun beliebt oder nicht. Unser Talent als Spezies, unser Umfeld zu kontrollieren, uns ein Leben wie Könige zu schenken, uns fern von Not und Hunger zu halten, hat uns wohl weisgemacht, wir könnten alles kontrollieren. Doch das ist alles nichts als ein großer Irrtum. Wir entscheiden keineswegs, was uns widerfährt. Uns bleibt nur, den Wein zu trinken, den uns das Universum serviert, oder zu sterben. Also bedankt euch für jeden Tropfen, den ihr bekommt, so bitter er auch sein mag. Lebt in Demut vor allem, was wir jeden Tag genießen, unser sauberes Wasser, unser Essen, unsere sicheren, warmen Häuser, und der Gewissheit, jeden Tag von jemandem gebraucht zu werden. Vielleicht ist es, was die Langeweile auf immer vertreibt, und den Gedanken erstickt, dass das Leben, was man lebt, fade schmeckt. Vielleicht muss man nicht jedem und vor allem nicht sich selbst einen Wert beimessen, der beziffert, ob der Tropfen, den man trinkt, süß genug ist, oder ob man unzufrieden sein sollte mit dem, was man bekam. Vielleicht stehen besagte Individuen eines Tages auf und blicken auf dieselbe Welt voller Dankbarkeit, und sie bemerken, dass sie hier sind, im selben Haus mit denselben Menschen, von denen sie gebraucht werden. Vielleicht ergießen sich Gewitterwolken an jenem Tag oder die Sonne scheint, doch es wird egal sein, denn sie werden in dieselbe Sonne und denselben Regen blinzeln und sich freuen, dass sie da sind und dankbar ihre Wärme oder Nässe empfangen. Vielleicht merken diese Menschen, dass die Welt unverändert geblieben, die Güte des Universums dieselbe und ihr Leben das gleiche ist doch sie werden dieses wohlige, heimelige Gefühl in der Gegend des Magens nicht los, plötzlich zuhause zu sein. Und vielleicht erkennen besagte Individuen das Gefühl, denn sie wurden damit geboren, und vielleicht lernen sie, damit zu leben und ihm den gesamten Platz in sich freizuräumen bis sie alle in denselben Leben ihr Zuhause finden.
Alexander M. Weigl, 16.11.2025